Meine Argumente im Bundesrat

Disklaimer: Inzwischen ist das Stenographische Protokoll der Sitzung veröffentlicht in der auf die Piratenpartei verwiesen wird.

Als das Staatsschutzgesetz im Nationalrat beschlossen wurde, war für mich klar, dass als nächster Schritt versucht werden muss, das PStSG im Bundesrat aufzuhalten. Da ich aber von Mitgliedern des AK Vorrat erfahren habe, dass sie schon mit der Verfassungsklage beschäftigt sind, musste ich mir einen anderen Weg suchen um den Bundesrat zu beeinflussen.
Was also tun?
Nun ja, ich weiß ja nicht ob ihr es wusstet, aber es gibt da so eine Partei, bei der ich einmal Mitglied war. Ja, genau. Die Piratenpartei. Also ging ich zu ein paar alten Bekannten dort und meinte: Hey! Nutzt eure Chance und schreibt den BR an.[🔗]

Was sie dann auch unter fleißiger Zuhilfenahme meiner Argumente im folgenden Text gemacht haben:

Sehr geehrter Herr/Frau XXXX XXXXXX

der Bundesrat stimmt in seiner Sitzung am 11.02.2016 über das Staatsschutzgesetz [1] ab, das am 27.01.2016 vom Nationalrat beschlossen wurde.

Zwar wurden in den Verhandlungen, die dem Beschluss vorausgingen, noch einige von der Zivilgesellschaft und den Oppositionsparteien beanstandete Passagen geringfügig verbessert. Trotzdem weißt der Gesetzestext nach unserer Auffassung noch immer zahlreiche Mängel [2] auf, wie etwa den mangelnden Rechtsschutz.

Wir sind nun nicht so vermessen, dass wir von Ihnen erwarten würden, das Gesetzespaket gänzlich nochmals aufzuschnüren. Gleichwohl möchten wir Ihren Blick auf den Teil des Gesetzes lenken, der unumkehrbare Tatsachen und nicht mehr rücknehmbare Nachteile zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger Österreichs schafft.

12, Abs.4 besagt:

Übermittlungen sind an Sicherheitsbehörden für Zwecke der Sicherheitspolizei und  Strafrechtspflege, an Staatsanwaltschaften und ordentliche Gerichte für Zwecke der  Strafrechtspflege, an verfassungsmäßige Einrichtungen nach Maßgabe des § 8 und darüber hinaus an Dienststellen inländischer Behörden, soweit dies eine wesentliche Voraussetzung zur Wahrnehmung einer ihr gesetzlich übertragenen Aufgabe ist, an ausländische Sicherheitsbehörden und Sicherheitsorganisationen (§ 2 Abs. 2 und 3 PolKG) sowie Organe der Europäischen Union oder Vereinten Nationen entsprechend den Bestimmungen über die internationale polizeiliche Amtshilfe zulässig.

Dadurch besteht die Gefahr, dass Informationen über österreichische Bürgerinnen und Bürger aus der Analysedatenbank an fremde Dienste, wie beispielsweise NSA und BND, weitergegeben werden. Diese Möglichkeit stellt ein absolutes Novum dar und ist aus unserer Sicht dringend zu verhindern. Denn die in dem Staatsschutzgesetz verankerte Löschungsverpflichtung kann und wird von anderen Staaten nicht beachtet werden. Wenn diese Daten einmal in fremden Händen sind, hat der österreichische Staat keinerlei Kontrolle mehr darüber, wie damit verfahren wird – ob sie möglicherweise weitergegeben oder jemals wieder gelöscht werden.

Insbesondere durch Letzteres besteht die Gefahr, dass die gesetzlich vorgesehene Löschung der Daten gemäß §13 innerhalb der vorgegebenen Frist nicht eingehalten wird oder überhaupt unterbleibt.

Auch wenn Sie unserer grundsätzlichen Skepsis gegenüber der Weitergabe an ausländische Dienste nicht folgen sollten, so wäre es zumindest geboten eine klare gesetzliche Regelung herbeizuführen, in der genau festgelegt ist, aus welchen konkreten Anlässen und unter welchen Rahmenbedingungen dies geschehen darf.

Wir fordern Sie deshalb ebenso höflich wie dringend auf, dem Gesetz Ihre Zustimmung zu verweigern, solange diese Bedenken nicht ausgeräumt sind. Kommen Sie als Mitglied des Bundesrates Ihrer Pflicht nach, einen nicht mehr zu revidierenden Schaden von den Bürgerinnen und Bürgern Österreichs abzuwenden.[🔗]

Da ich aus arbeitstechnischen Gründen die Parlamentsdebatte nicht direkt verfolgen konnte, war die erste Information, die ich bekam, die Parlamentskorrespondenz, die ich in einer Pause gelesen habe.

Sofort kam mir der Absatz von Frau Ewa Dziedzic bekannt vor.
photo_2016-02-11_21-04-22Das erforderte, als ich heim kam, natürlich einer genaueren Analyse ihrer Rede. Und wie ich feststellte, wurden drei Absätze gleich wortgleich übernommen und einer umformuliert wiedergegeben.[🔗] Damit hat es mein Lobbying über den Bundesrat bis ins Parlament geschafft. Auch wenn es am Ende leider nicht gereicht hat und das PStSG damit bittere Realität wird.

„Ich mach mir die Welt, widewide wie sie mir gefällt.“ – ÖVP

Während die ÖVP und das von ihr besetzte Bundesministerium für Inneres zu Beginn der Debatte um das Staatsschutzgesetz (PStSG) noch versucht haben, auf Teile der Kritik einzugehen und zuletzt mit der SPÖ sogar einige oberflächliche Schönheits-OPs durchführten, zeigt die Dynamik der letzten Tage, dass sie nun nur mehr ihre eigene Sichtweise akzeptieren.

In den letzten Tagen haben sich zahlreiche Personen über act.staatsschutz.at/ an der Diskussion beteiligt und dabei vor allem von der ÖVP wohl die immer selben Textblöcke zurückbekommen. Da ich nur ungern einen Vertrauensbruch begehe, war ich zuerst nicht in der Lage, darüber zu schreiben, doch war das BMI so klug und hat vorige Woche ihre Stellungnahme zu einer Bürgerinitiative (BI) der Piratenpartei abgegeben. Und siehe da, dort finden sich dieselben Argumente, nur anders formuliert.

Einige Argumente beziehen sich auf Fehler in der BI selbst; da auch ich daran mitgewirkt habe, bitte ich darum, ein Nachsehen mit mir zu haben.
Ein weiterer Teil bezieht sich auf Änderungen, die erst im Ausschuss für Inneres getroffen wurden. Von diesen hatte man bei der Einbringung noch nicht wissen können. z.B.:

Text der Bürgerinitiative (02.07.2015):
Hinzu kommt dass der Entwurf vorsieht den neun Landesämtern für Verfassungsschutz, die selben Befugnisse zuzubilligen, wie dem BVT und somit faktisch zehn neue Geheimdienste geschaffen werden.

Stellungnahme des BMI (12.01.2016):
Mit dem PStSG werden keine zehn Geheimdienste geschaffen.

Auch werden die Organisationseinheiten auf Landesebene nicht eigens eingerichtet, sondern sind vielmehr bereits Teil der Organisation der Landespolizeidirektionen.

Diese Änderung wurde aber erst bei der oben erwähnten Schönheits-OP, die erst am 29.11.2015 gemacht wurde, eingebracht.

Ein weiterer Teil dieser Stellungnahme basiert auf Eigendefinitionen bzw. unterschiedlichen Sichtweisen.

Während das BMI meint:
Mit dem PStSG werden keine zehn Geheimdienste geschaffen. Das BVT sowie die für Verfassungsschutz zuständigen Organisationeinheiten in den Landespolizeidirektionen sind keine „Geheimdienste“, sondern Polizeibehörden.

Meinte z.B. die Volksanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 11.05.2015:
Dem polizeilichen Staatsschutz sollen zur erweiterten Gefahrenerforschung sowie zur Prävention von verfassungsgefährdenden Angriffen nachrichtendienstliche Befugnisse eingeräumt werden (z.B. Einsatz von V-Leuten, Einholung von Auskünften über Verkehrs- und Standortdaten, Observation und verdeckte Ermittlung). Dies bedeutet im Ergebnis, dass das Bundesamt als Dienststelle des BMI künftig ein In- und Auslandsnachrichtendienst wäre und im Rahmen der Sicherheitsverwaltung polizeiliche Aufgaben zu erfüllen hätte. Die Behörde würde nicht wie bisher nur dem polizeilichen Staatsschutz und der Abwehr von inneren Bedrohungen dienen, sondern sich auch mit Fragen der äußeren Sicherheit, die derzeit vornehmlich dem BMLVS zugeordnet sind, befassen.

Kurz also, dass nachrichtendienstliche und polizeiliche Aufgaben vermischt werden. Das BMI hat dabei durchaus recht, dass das BVT als Polizeibehörde definiert wird, was es aber übersieht/ausblendet ist, dass es nicht ausreicht, etwas als Polizeibehörde zu definieren, sondern dementsprechend auch die Kompetenzen angepasst sein müssen, um auch de facto als solche zu gelten.
Es gibt auch noch weitere Beispiele für solche Eigendefinitionen, auf die ich nicht weiter eingehen werde.

In wieder anderen Bereichen werden einfach unbelegte Behauptungen in den Raum gestellt:

BMI schrieb:
Demnach muss der polizeiliche Staatsschutz größtmögliche Sicherheit auf Basis eines umfangreichen Rechtsschutzes gewährleisten können. …

Diese Aussage ist zwar grundsätzlich richtig, aber der weitere Text impliziert dann, dass dies auch im aktuellen Entwurf der Fall wäre:

BMI schrieb weiter:
… In einem transparenten und partizipativen Prozess wurde mit den zentralen Akteuren aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Medien der Gesetzesentwurf zum Polizeilichen Staatsschutzgesetz vorbereitet. Nach einem sechswöchigen Begutachtungsverfahren wurden die Anregungen der eingelangten Stellungnahmen geprüft und in die Regierungsvorlage eingearbeitet.

Zwar gab es wirklich die besagte Begutachtung, jedoch kann diese keinesfalls als vorbereitend gezählt werden, noch wurde auf die Kritik der unabhängigen Kontrolle des BVT eingegangen.
Im „4. Hauptstück“ wird in dem Gesetz lediglich ein Rechtschutzbeauftragter mit 2 Stellvertretern bzw. Stellvertreterinnen definiert, die dem BMI angehören. Diese Art der Kontrolle erfüllt keinesfalls die Aufgabe einer richterlichen oder einer parlamentarischen Kontrolle, womit die „… Basis eines umfangreichen Rechtsschutzes …“, anders als in der Stellungnahme des BMI behauptet, nicht gewährleistet ist.

Und auf den letzten Rest der Kritik, wie der langen Speicherfrist, wird erst gar nicht eingegangen.

Wie bereits zu Beginn erwähnt, wird nicht nur vom BMI, sondern auch von den zahlreichen Abgeordneten der ÖVP auf diese Weise argumentiert. Im Moment scheint es also keinen vernünftigen Diskurs mit der ÖVP geben zu können, weil sie sich mit folgenden 3 Methoden die Welt schönreden:

  1. Wiederholen unzutreffender Eigendefinitionen.
  2. Unbelegte Behauptungen bzw. das Implizieren nicht zutreffender Tatsachen.
  3. Nichtbeachten/-eingehen auf Argumente.

Ich hoffe, dass sich diese Situation bald bessert oder zumindest mit der gesamten Fraktion eine bessere Diskussion hergestellt werden kann als mit den einzelnen Abgeordneten.


Update: Mir ist im Ursprünglichen Entwurf ein Fehler im Bezug auf den 3er Senat (Rechtsschutzbeauftragter + StellvertreterInnen) unterlaufen.

Doppelmoral

Zur Einweihung meines neuen Blogs möchte ich über ein Ereignis der letzten Tage berichten. Dieses handelt von einer erschreckenden Doppelmoral, die ich zwar schon lange vermutet hatte, aber erst diese Woche real miterleben konnte.

Zurück zum Start: Wie vielleicht manche auf Facebook oder Twitter sehen konnten habe ich mich diese Woche das erste Mal in eine lokale Bildschirmfoto 2016-01-05 20:51:50Diskussion zum Flüchtlingsthema eingemischt und dabei ein FPÖ Plakat das jemand Bekannter aus der Umgebung teilte, falsifiziert. Die Diskussion ging noch weiter mit empathielosen Argumenten wie „Ein illegaler Grenzübertritt ist kriminell.“ oder auch, dass wir nicht das erste „sichere“ Land wären.
Dass ich überhaupt darauf reagiert habe, lag auch an der Wut über die Kommentare, die ich im Zusammenhang mit Köln lesen musste, denn wie gesagt habe ich mich bisher aus der Diskussion raus gehalten.

Es kam wie es kommen musste; ich bin ihm noch am selben Abend auf einer Party begegnet. Nach nur wenigen Kommentaren seinerseits holte er auch schon zum Schlag aus. Dieser wurde von einem unbeteiligten Dritten abgewehrt und der Rechte von mir weggedrängt.

Was mich nun daran fasziniert ist diese Doppelmoral. Einerseits gegen „kriminelle Zuwanderer“ zu sein, die illegal die Grenze passieren, aber andererseits nichts Kriminelles darin zu sehen, wenn man selbst körperliche Gewalt (§ 83 StGB und § 16 StGB) ausübt. Es zeigt mir auch, dass es nicht, wie oft in den Parlamentssitzungen behauptet, um die subjektive/objektive Sicherheit geht, sondern dass hinter der Ausländerdebatte reine nationalistische Interessen stecken. Zumindest hoffe ich, dass es außer Frage steht, dass Körperverletzung um ein wesentliches schlimmer ist als wenn jemand eine Grenze übertritt.

Wie die meisten wissen bin ich politisch aktiv, und das nicht nur im Internet sondern auch auf Demos und Veranstaltungen. Dabei war mir vor allem die Bundespolitik ein Anliegen und auch wenn ich mich in nächster Zeit vorwiegend mit dem IFG beschäftigen werde, stellt sich mir nun doch die Frage wie ich auch lokal zu diesem wichtigem Thema aktiv werden kann. Ideen bitte an: blog@eest9.at