„Ich mach mir die Welt, widewide wie sie mir gefällt.“ – ÖVP

Während die ÖVP und das von ihr besetzte Bundesministerium für Inneres zu Beginn der Debatte um das Staatsschutzgesetz (PStSG) noch versucht haben, auf Teile der Kritik einzugehen und zuletzt mit der SPÖ sogar einige oberflächliche Schönheits-OPs durchführten, zeigt die Dynamik der letzten Tage, dass sie nun nur mehr ihre eigene Sichtweise akzeptieren.

In den letzten Tagen haben sich zahlreiche Personen über act.staatsschutz.at/ an der Diskussion beteiligt und dabei vor allem von der ÖVP wohl die immer selben Textblöcke zurückbekommen. Da ich nur ungern einen Vertrauensbruch begehe, war ich zuerst nicht in der Lage, darüber zu schreiben, doch war das BMI so klug und hat vorige Woche ihre Stellungnahme zu einer Bürgerinitiative (BI) der Piratenpartei abgegeben. Und siehe da, dort finden sich dieselben Argumente, nur anders formuliert.

Einige Argumente beziehen sich auf Fehler in der BI selbst; da auch ich daran mitgewirkt habe, bitte ich darum, ein Nachsehen mit mir zu haben.
Ein weiterer Teil bezieht sich auf Änderungen, die erst im Ausschuss für Inneres getroffen wurden. Von diesen hatte man bei der Einbringung noch nicht wissen können. z.B.:

Text der Bürgerinitiative (02.07.2015):
Hinzu kommt dass der Entwurf vorsieht den neun Landesämtern für Verfassungsschutz, die selben Befugnisse zuzubilligen, wie dem BVT und somit faktisch zehn neue Geheimdienste geschaffen werden.

Stellungnahme des BMI (12.01.2016):
Mit dem PStSG werden keine zehn Geheimdienste geschaffen.

Auch werden die Organisationseinheiten auf Landesebene nicht eigens eingerichtet, sondern sind vielmehr bereits Teil der Organisation der Landespolizeidirektionen.

Diese Änderung wurde aber erst bei der oben erwähnten Schönheits-OP, die erst am 29.11.2015 gemacht wurde, eingebracht.

Ein weiterer Teil dieser Stellungnahme basiert auf Eigendefinitionen bzw. unterschiedlichen Sichtweisen.

Während das BMI meint:
Mit dem PStSG werden keine zehn Geheimdienste geschaffen. Das BVT sowie die für Verfassungsschutz zuständigen Organisationeinheiten in den Landespolizeidirektionen sind keine „Geheimdienste“, sondern Polizeibehörden.

Meinte z.B. die Volksanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 11.05.2015:
Dem polizeilichen Staatsschutz sollen zur erweiterten Gefahrenerforschung sowie zur Prävention von verfassungsgefährdenden Angriffen nachrichtendienstliche Befugnisse eingeräumt werden (z.B. Einsatz von V-Leuten, Einholung von Auskünften über Verkehrs- und Standortdaten, Observation und verdeckte Ermittlung). Dies bedeutet im Ergebnis, dass das Bundesamt als Dienststelle des BMI künftig ein In- und Auslandsnachrichtendienst wäre und im Rahmen der Sicherheitsverwaltung polizeiliche Aufgaben zu erfüllen hätte. Die Behörde würde nicht wie bisher nur dem polizeilichen Staatsschutz und der Abwehr von inneren Bedrohungen dienen, sondern sich auch mit Fragen der äußeren Sicherheit, die derzeit vornehmlich dem BMLVS zugeordnet sind, befassen.

Kurz also, dass nachrichtendienstliche und polizeiliche Aufgaben vermischt werden. Das BMI hat dabei durchaus recht, dass das BVT als Polizeibehörde definiert wird, was es aber übersieht/ausblendet ist, dass es nicht ausreicht, etwas als Polizeibehörde zu definieren, sondern dementsprechend auch die Kompetenzen angepasst sein müssen, um auch de facto als solche zu gelten.
Es gibt auch noch weitere Beispiele für solche Eigendefinitionen, auf die ich nicht weiter eingehen werde.

In wieder anderen Bereichen werden einfach unbelegte Behauptungen in den Raum gestellt:

BMI schrieb:
Demnach muss der polizeiliche Staatsschutz größtmögliche Sicherheit auf Basis eines umfangreichen Rechtsschutzes gewährleisten können. …

Diese Aussage ist zwar grundsätzlich richtig, aber der weitere Text impliziert dann, dass dies auch im aktuellen Entwurf der Fall wäre:

BMI schrieb weiter:
… In einem transparenten und partizipativen Prozess wurde mit den zentralen Akteuren aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Medien der Gesetzesentwurf zum Polizeilichen Staatsschutzgesetz vorbereitet. Nach einem sechswöchigen Begutachtungsverfahren wurden die Anregungen der eingelangten Stellungnahmen geprüft und in die Regierungsvorlage eingearbeitet.

Zwar gab es wirklich die besagte Begutachtung, jedoch kann diese keinesfalls als vorbereitend gezählt werden, noch wurde auf die Kritik der unabhängigen Kontrolle des BVT eingegangen.
Im „4. Hauptstück“ wird in dem Gesetz lediglich ein Rechtschutzbeauftragter mit 2 Stellvertretern bzw. Stellvertreterinnen definiert, die dem BMI angehören. Diese Art der Kontrolle erfüllt keinesfalls die Aufgabe einer richterlichen oder einer parlamentarischen Kontrolle, womit die „… Basis eines umfangreichen Rechtsschutzes …“, anders als in der Stellungnahme des BMI behauptet, nicht gewährleistet ist.

Und auf den letzten Rest der Kritik, wie der langen Speicherfrist, wird erst gar nicht eingegangen.

Wie bereits zu Beginn erwähnt, wird nicht nur vom BMI, sondern auch von den zahlreichen Abgeordneten der ÖVP auf diese Weise argumentiert. Im Moment scheint es also keinen vernünftigen Diskurs mit der ÖVP geben zu können, weil sie sich mit folgenden 3 Methoden die Welt schönreden:

  1. Wiederholen unzutreffender Eigendefinitionen.
  2. Unbelegte Behauptungen bzw. das Implizieren nicht zutreffender Tatsachen.
  3. Nichtbeachten/-eingehen auf Argumente.

Ich hoffe, dass sich diese Situation bald bessert oder zumindest mit der gesamten Fraktion eine bessere Diskussion hergestellt werden kann als mit den einzelnen Abgeordneten.


Update: Mir ist im Ursprünglichen Entwurf ein Fehler im Bezug auf den 3er Senat (Rechtsschutzbeauftragter + StellvertreterInnen) unterlaufen.