Meine 10 Jahre in der Politik

Eigentlich wollte ich diesen Artikel zum 8. Jänner 2023 schreiben. Aber Studieren an der WU Wien erweist sich als aufwändiger als gedacht. Nicht stressig, aber dennoch konstant aufwändig. Daher hatte ich noch bis Freitag eine größere Seminararbeit zu schreiben und kam erst heute dazu, meine letzten Jahre in der Politik zu reflektieren. Der 8. Jänner 2023 ist dabei nicht zufällig gewählt. Denn vor genau 10 Jahren am 8. Jänner 2013 bin ich das 1. Mal in eine Partei eingetreten und habe begonnen politische Themen nicht mehr nur im Freundeskreis, sondern auch mit Fremden zu diskutieren.

2013, das war die Zeit des Aufbruchs! Die Zeit, in der ich dachte, es kann nur in eine Richtung weiter gehen. Ich hielt die Vergangenheit für dieses lineare Ding, in dem die Menschheit seit dem Mittelalter immer neue Rechte gegen die politökonomische Elite erkämpfte. Indem die Rechte von marginalisierten Gruppen oder Frauen immer weiter ausgebaut wurden. Und ich extrapolierte daraus, dass es auch nur so weiter gehen kann, dass Rassismus ausgedient hat und nur mehr ein Traum alter weißer Männer wäre. Dass nach der rechtlichen Gleichstellung Frauen von selbst quasi in alle gleichwertigen Positionen kommen würden und dass die Rechte für trans sowie non-binary Personen auch nur mehr eine Selbstverständlichkeit wären, die wir uns als Menschheit von einer korrupten politökonomischen Elite erkämpfen würden. Denn die Geschichte könnte seit der Aufklärung und der dann folgenden Französischen Revolution gar nicht anders als immer egalitärer und liberaler zu werden. Dafür müssten wir doch nur die Mitbestimmungsrechte der Bevölkerung stärken.

Natürlich war mir klar, dass es einerseits keine Selbstlösung für soziale Probleme ist. Hier sah ich immer die Digitalisierung sowie die Wissenschaft als Lösung. Ersteres passiere quasi von selbst und müsste nur auch im Staat umgesetzt werden. Letzteres wäre noch ein systematisches Problem, für das es eine Lösung bräuchte. Wie bringt man Politik und Wissenschaft zusammen, die spätestens seit Aristoteles untrennbar voneinander getrennt waren? Auch die Förderung zwischenmenschlicher Solidarität und Verständnisses war für mich immer eine Lösung.

In diesem Glauben bin ich damals der Piratenpartei Österreichs beigetreten. Was auch für mich auch logisch war. Es war damals die einzige Partei, die Digitalisierung am Schirm hatten. Sie war jene Partei, die für Antikorruption und mehr direkte Mitbestimmung einstand. Die glaubwürdig für Informationsfreiheit kämpfte. Die Freiheit der aller verbessern wollte und nicht bloß einer sozioökonomischen Elite. Sie war jene Partei, die meinen Werten entsprach und diese intern vorlebte. Schon bald engagierte ich mich, war zwischenzeitlich sogar im Bundesvorstand und die Kampagne um Europa Anders zur Europawahl 2014 werde ich nie vergessen. Auch das Lob, dass ich dort für mein Engagement erhielt.

All das war ein wahnsinniger Wandel zu meinem Leben davor. Wie einige sicher wussten, war ich davor höchst depressiv und einsam. Auch der 8. Jänner 2013 war ein solcher Tag. Nach einer Partei, bei der ich wieder mal allein ankam und meine sozialen Probleme nicht überwinden konnte, entschied ich mich mit meinem Leben auch noch etwas anders zu machen, als nur eine Beziehung zu suchen. Ich las das gesamte Parteiprogramm und am Abend war dann die Entscheidung klar: Das wird die Zukunft. Und das dort erhaltene Lob hob mein Selbstvertrauen. Das erhaltene Wissen prägt mich bis heute. Wissen über Organisationsstrukturen, Konfliktlösungsmanagement, Kampagnenführung, Rhetorik, aber auch über den politischen Prozess Österreichs, insbesondere die politischen Beteiligungsmöglichkeiten außerhalb des etablierten Parteisystems.

Und letzteres war auch notwendig, denn die Piraten zerstritten sich in unzähligen Grabenkämpfen. Und als alle die Personen, mit denen ich am konstruktivsten zusammenarbeiten konnte, entweder ausgetreten waren oder sich aus der Bundespolitik zurückzogen, hielt mich hier auch nichts mehr. Es begann eine Zeit der Suche. Wie wollte ich weiter machen? Trete ich wieder einer Partei bei? Engagiere ich mich in einer NGO? Oder kämpfe ich allein weiter? Ich entschied mich dabei zunächst für letzteres. Und zu meinen Learingns aus damals gab ich sogar mehrere Vorträge. Etwa am Netzpolitischen Abend Wien. Aber ich blieb nicht lang allein und kam sehr schnell mit offenen Armen in die österreichische Zivilgesellschaft, was ihr in meinem Bericht zum Bundestrojaner nachlesen könnt.

Während meinem Engagement haben wir dabei ältere immer wieder gesagt, ich würde meinen Idealismus bald aufgeben. In 10 Jahren würde ich das alles nicht mehr so sehen. Und man kann ja eh nix ändern. Aber das widersprach sich mit meiner Erfahrung. Ich als kleiner Knirps hatte es geschafft, dass von mir vorgeschlagene Formulierungen sich in Texten wie der DSGVO, dem (zum Glück später aufgehobenem) Bundestrojaner, dem Urheberrecht oder gar dem letzten Regierungsübereinkommen, Einzug gefunden haben. Gleichzeitig änderten sich meine Ansichten. Nicht die Inhalte, aber mein Politikverständnis.

Politik war nicht mehr dieses Feld, das sich bloß in eine Richtung weiterentwickeln konnte. Das war ein christlicher Mythos, der zum letzten Gericht führte. Ein Mythos, der selbst von Liberalen wie Francis Fukuyama mit dem Begriff vom „Ende der Geschichte“ reproduziert wurde. Aber die Geschichte geht nicht nur in eine Richtung. Das machte mir die türkis-blaue Regierungsperiode schmerzhaft bewusst. Auch im Antiken Griechenland ging man mehrheitlich noch nicht von einem linearen Geschichtsverlauf aus, sondern von einem zyklischen. Aktuell kann ich beidem nicht viel abgewinnen, vielmehr bewegen wir uns wohl in einer Spirale weiter.

Klar wurde mir ebenfalls, dass es nicht die Menschheit gegen eine gewisse Elite ist, sondern dass sich die Menschheit sowie die Entscheidungsträger*innen in verschiedenste Gruppen und Bedürfnisse teilen. Arbeiter*innen haben andere Bedürfnisse als Eigentümer*innen, Atheist*innen andere als Christ*innen, Landmenschen andere als Stadtmenschen und Wiener*innen andere als die Bewohner*innen anderer Bundesländer. Und Politik ist nicht nur die Rückeroberung von Rechten, sondern ein Prozess, über den die Konflikte dieser zahlreichen Gruppen ausgetragen werden. Es reicht also nicht einfach mehr direkte Demokratie einzuführen, denn das hat auch schon innerhalb der Piratenpartei die Streitereien nicht aufhalten können, sondern der Staat muss so designt werden, dass diese Konflikte möglichst fair ausgetragen werden. Wie so ein System gestaltet sein kann, damit marginalisierte Gruppen ihre Bedürfnisse durchsetzen können, ohne dass kleine Eliten dieses System für sich ausnutzen können, habe ich bis heute nicht gelöst.

Oft wurde versucht, mir Algorithmen als die Lösung zu verkaufen. So etwa auch der AMS-Algorithmus, der doch Arbeitsplätze neutral zuteilen würde. Algorithmen handeln nur mehr nach fairen Regeln. Und selbst mein eigener Digitalisierungsglaube lässt sich indirekt auf Buckminster Fuller zurückführen, der meinte, alle menschlichen Verteilungsprobleme würde sich mit Technologie lösen lassen. Wie im IT-Syndikalismus bräuchten wir nur genug Rechenpower und Maschinen erledigen den Rest.

Meine 1. Realisation hierzu war allerdings, dass mehr Rechenkapazität nicht reicht. Denn jeder Schritt zu mehr Produktivität führte stets nur zu mehr Gewinnen und nicht zu besserer Ressourcenverteilung. Die 2. Realisation war, dass Computer und Algorithmen niemals neutral sind. Algorithmen sind lediglich Tools und diese werden auf jene Personen optimiert, die sie kontrollieren und einsetzen. Facebook zeigt einem etwas nicht an, weil es einem am meisten interessiert, sondern weil das Unternehmen hinter Facebook damit am meisten Gewinn macht. Der AMS-Algorithmus teilt einem nicht Ressourcen und einen Job zu, weil diese/dieser zu einem am besten passen/passt, sondern weil jene, die über dessen Design entschieden haben, von dieser Ressourcen- und Jobzuteilung am meisten profitieren. Algorithmen sind politisch!

Meinen Idealismus hab ich dabei dennoch nicht verloren. Vielmehr habe ich ihn mit Pragmatismus ergänzt, denn der Gegensatz zu Idealismus ist nicht Pragmatismus, sondern Resignation.

Mein Traum ist immer noch diese Gesellschaft aus Star Trek in dem wir einen Weg gefunden haben unsere zwischenmenschlichen Konflikte zu überwinden und Ressourcen fair zu verteilen. Meine Dystopie sind aber die Borg, mit großen Konzernen als der Borg-Königin. Aber auch nach 10 Jahren Politik denke ich, dass es möglich ist, dass alle Gesellschaftsgruppen und ihre Mitglieder auf Augenhöhe miteinander arbeiten. Aber wir werden dies nicht erreichen, indem wir nur ganz oben ansetzen. Denn das politische System überlebt große plötzliche Änderungen, wie etwa den Coronavirus oder die zahlreichen gescheiterten Revolutionen, meist wunderbar. Vielmehr müssen diese großen Initiativen durch zahlreiche kleine Initiativen unterstützt werden, denn kleine Änderungen werden meist übersehen, bis es für das System zu spät ist, daran anzupassen. Genossenschaften und kollektive Unternehmensformen wie Premium Cola, gemeinschaftlich organisierte Hackspaces wie das Metalab, Initiativen, die Inklusion angehen, bevor sich die Politik dazu durchringt diese anzuordnen, wie MACH’S AUF oder Define, oder auch die aktuelle Umweltbewegung transformieren Systeme einfach von unten herauf!

Nicht verordnen, sondern hacken is the way to go! Wirtschaft hacken, Gesellschaft hacken und Politik hacken. Das sind die Bereiche, die wir angehen müssen. Und das sowohl mit großen als auch zahlreichen kleinen Schritten.

Der Fall des Bundestrojaners

Es ist der Abend des 31. März 2016. Ich sitze zu Hause und frag mich wie ich mich zukünftig politisch engagieren könnte. Gut, es war nicht der Abend, ich weiß nicht mehr welche Uhrzeit es war und diese Frage kam auch nicht plötzlich, ich stellte sie mir seit Jänner 2016. An diesem „Abend“ nun, also trat ein neues Gesetz über meine Aufmerksamkeitsschwelle. Der Bundestrojaner, oder wie es damals hieß „Überwachtung von Nachrichten die im Wege eines Computersystems übermittelt werden“.

Klatsch und da war es. Ein Gesetz dass bei einer Vielzahl an Verdächtigten auf deren Computersystemen (Handys, Notebooks, Spielekonsolen, etc.) installiert werden können sollte um sie zu überwachen. Schon länger gab es Vorzeichen für so ein Gesetz. So berichtete bereits FM4 Monate davor, dass ein solches Gesetz in Arbeit wäre. Ein schneller Vergleich machte es auch ziemlich deutlich, die Leaks waren echt. Dies war die Version eines Überachungsgesetzes das seit Monaten ausgearbeitet wurde.

Politisch immer noch heimatlos ging ich ans Werk. Zeile für Zeile analysierte ich. Völlig ohne juristische Expertise versuchte ich zu verstehen, was die Regierung damit meinte. Erläuterungen, Wirkungsfolgenabschätzung, Gesetzestext, all dies waren völlig neue Begriffe für mich. Dennoch versuchte ich mein Bestes um diesen Gesetzesentwurf der Regierung Faymann zu verstehen und gab am Ende meine Stellungnahme dazu im sogenannten parlamentarischen Begutachtungsverfahren ab. Als juristischer Laie versah ich diese noch mit dem Vorwort „Ich als Techniker“. So wie ich taten das auch einige andere. Größtenteils waren es allerdings Organisationen wie die TU Graz oder epicenter.works. Richtig realisiert habe ich das erst Wochen später, als ein Jurist von epicenter.works einen Vortrag am Netzpolitischen Abend im Metalab hielt und freudig erzählte, dass sich auch Privatpersonen, wie ich es war, sich eingebracht haben.

In diesem Moment änderte sich für meine nächsten Jahre alles. Ich wurde von gleich 3 Organisationen gefragt: „Hey, du machst offenbar cooles Zeug, magst du nicht auch bei uns etwas machen?“. Diese Entscheidung viel mir nicht schwer. Politisch heimatlos wie ich zu diesem Zeitpunkt war, hatte ich nun also die Wahl zwischen „Alleine alles machen, dafür so wie ich mir einbilde, dass es am besten ist“ oder „Mit anderen an einem Strang ziehen aber dafür auch Lösungen verfolgen die ich nur für die zweitbeste hielt“. Klar zweiteres erfordert es sein Ego unter das aller anderer zu stellen, aber es heißt auch mit anderen etwas Bewegen zu können. Ich entschied mich also dafür, mich außerhalb des Parteienspektrums in NGOs wie epicenter.works, dem Chaos Computer Club Wien und anderen aktiv zu beteiligen. Ich kleiner Knirps, keine 1,70 m groß. Was sollte ich schon dazu beitragen können? Eine ganze Menge, wie sich herausstellte.

Nun ja, zunächst begann ich damit zu beobachten. Wie geht es mit dem Bundestrojaner weiter? Was tut sich im Parlament? Und hey, was tut sich überhaupt in der Regierung? Immerhin beruhen die meisten Gesetze heutzutage auf Vorschlägen der Regierung. Irgendwann, dann der Knüller. Der Justizminister (heute Richter am Verfassungsgerichtshof) merkte in einem Interview mit Puls 4 an, dass es „so“ offenbar „nicht geht“ und man sich etwas „neues einfallen lassen“ müsse. Die Horrorvorstellung des Bundestrojaners war vorüber. Vorerst.

Neu in einem Team angekommen, hatte ich mich also einzufinden. Ich überlegte mir wie kann ich mich mit meinen bescheidenen Fähigkeiten einbringen? Ein Punkt war gefunden. Mein Ehrgeiz. Täglich klickte ich die Parlaments- und Regierungsseiten durch, immer auf der Suche nach Neuigkeiten. Später automatisierte ich Teile davon. Immer wenn etwas neues kam, leitete ich es sofort weiter. Das kam gut an. Es brauchte quasi keine Fähigkeiten, außer den Willen all diese Seiten täglich zu beobachten. Bald brachte mir das auch den Titel „govcrawler“ ein, was auch ein Name eines Skripts wurde, dass ich später benutzte um mir die Arbeit zu erleichter. Neben Dingen wie Polizeiabkommen, DSGVO-Umsetzungen und vielem mehr, kam auch irgendwann der Regierungsumbruch. Faymann war Geschichte, das Kernprogramm war nun angesagt. Und im neuen Übereinkommen zwischen SPÖ und ÖVP hieß es wieder „Bundestrojaner“. Mehr noch, es sollte gleich ein gesamtes Überachungspaket geschnürt werden.

Das Erste Mal begab ich mich auf nach Wien. Wien, dort wo epicenter.works sitzt. Zu einem Koordinationstreffen, wie es bei uns heißt. Ein Treffen um Vorstand, Büro und Aktivist*innen zusammen zu bringen. Lange wurde dort diskutiert. Machen wir eine Kampagne? Wo sind unsere roten Linien? Was wollen wir erreichen? Wie wollen wir es erreichen? Wie wollen wir es ansprechen? Eine Kampagne zum Überwachungspaket war geboren.

Noch vergingen Monate bis schlussendlich das Paket zur Begutachtung vor lag. Als es kam, hatte ich längst meinen Job gekündigt, mein Studium in Aussicht und eine befristete Stelle bei epicenter.works. Ich durfte ein weiteres Mal eine Stellungnahme schreiben. Diesmal nicht mehr für mich, sondern für den Verein. Klar war es nicht ich, es waren wir als Team. Einmal für uns und einmal als Textvorschlag für unser Kampagnentool bei dem wir versuchten möglichst viele Menschen dazu zu bringen an der Begutachtung teilzunehmen. Immerhin ist es die einzige Möglichkeit der Rechtsunterworfenen mit ihrer Detailkritik am Begutachtungsprozess teilzunehmen. Ein voller Erfolg, über 9000 Bürger*innen nahmen daran teil. Manche Medien titelten sogar „das bestbegutachtetste Gesetz“ und dennoch war es „auf voller Linie gescheitert“. Nachdem der Innenminister in einem dramaturgisch kaum zu überbietenden Akt, den nationalen Sicherheitsrat einberuf musste er sich geschlagen geben. Die SPÖ unterstützen diesen Entwurf nicht mehr länger, dank der Arbeit zahlreicher engagierter Aktivist*innen und Bürger*innen. Immerhin war es nicht nur die Kampagne und die Detaillierte Meinung dieser mehr als 9000 Personen, es waren auch zahlreiche Einzelgespräche und regionale Treffen. Der Bundestrojaner scheiterte ein 2. Mal.

Doch die politischen Zeiten standen auf Umbruch, Kurz übernahm die ÖVP und löste die Koalition auf, auch weil sie sich durch die SPÖ ständig blockiert sahen. Sprich, weil die SPÖ den Bundestrojaner fallen lies. Neuwahlen standen vor der Tür. Und die Zeichen standen schlecht. Alles deutete auf eine neue Regierung zwischen ÖVP und FPÖ hin. Man versuchte noch die FPÖ daran zu erinnern, dass sie einst gegen das Staatsschutzgesetz geklagt hatte und auch eine freiheitliche Ader besäße die gegen die Überwachung der Bürger*innen einstand. Vergebens. Wie befürchtet, sah für sie die Welt einmal anders aus als sie an den Hebeln der Macht saßen.

Ein weiteres Mal sollte der Bundestrojaner am politischen Tagesgeschehen stehen. Diesmal ohne Begutachtung, doch das Parlament wehrte sich und setze eine neuerliche (Ausschuss-)Begutachtung durch. Ein weiteres Mal war also eine Stellungnahme zu verfassen. Diesmal unter neuem Namen „Überwachung verschlüsselter Nachrichten“ aber im Kern textähnlich übernommen. Meine alten Vorlagen wurden herausgekramt und in neue Struktur gegossen. Doch die Regierungsfraktionen arbeiteten schnell. Sie wollten es noch im Windschatten zahlreicher weiterer Gesetze durchbringen.

Es folgt der politisch schwärzeste Tag für mich. Früh Morgens brach ich auf zum Parlament und nahm Platz. Zuerst noch ein Datenschutzantrag der für mich wichtig war, da dank mir versucht wurde das Verbandsklagerecht nach der DSGVO einzuführen, es scheiterte. Doch der Tag sollte noch schlimmer verlaufen. Wenige Stunden später kam auch der Bundestrojaner. Ruck zuck wurde er beschlossen. Rückblickend hätte ich hier bei meinen Kolleg*innen im Büro sein sollen, doch ich war im Parlament und berichtete live. Ganz alleine. Alleine auf dieser leeren Tribüne. Nicht mein erster Rückschlag als Aktivist, aber der schmerzhafteste. Der Protest gegen dieses Gesetz hat mich so weit gebracht und doch nun sitze ich da und beobachte wie er dennoch kommt. Mit Freunden verlasse ich das Parlament, kaufe mir 3 Flaschen Wein und geh zum Donaukanal. An diesem Abend floss noch sehr viel Wein. Beruhigen konnte ich mich erst, spät Abends, als ich zu realisieren begann was da eigentlich gerade passiert ist.

Die Tage danach, noch unter Schock, versuchte ich mir zu überlegen wie der Bundestrojaner ein weiteres Mal verhindert werden könnte. Es gab ein Fallstrick, die Software musste, dank meiner Kritik, auf die Rechtmäßigkeit auditiert werden und das war unmöglich. Auf die Details kann ich ein anderes Mal eingehen, aber das Gesetz stellte Bedingungen die eine Überwachungssoftware aus technischen Gründen nicht leisten kann. Wir versuchten unsere Rechte wie das Auskunftsrecht zu nutzen, doch der Bundestrojaner wurde zur Geheimsache erklärt.

Monate Vergingen. Neos und SPÖ brachten Beschwerden vor dem Verfassungsgerichtshof ein. Monate Vergingen. Der Verfassungsgerichtshof hielt eine Anhörung, mit durchaus interessanten Argumenten ab. Monate Vergingen. Der Verfassungsgerichtshof vertagte die Behandlung. Monate Vergingen. Der Verfassungsgerichtshof kündigte an zu einem Erkenntnis gekommen zu sein. Tage Vergingen. Und da stand ich nun im Gerichtssaal und es hieß „Verfassungswidrig“. Schwer musste ich mir verkneifen mitten im Gerichtssaal ins jubeln zu geraten. Der Kampf, all die Jahre, hat sich nun gelohnt. All das persönliche Leid, all die Mühe und Arbeit und doch siegte am Ende die Gerechtigkeit. Am 11. Dezember 2019 hatte der Verfassungsgerichtshof endlich den Pflog eingeschlagen und solch ein unsägliches Gesetz für lange Zeit verhindert.

Kaum jemanden dürfte diese persönliche Sichtweise nun wohl wirklich interessieren, aber was kann man davon mitnehmen, wenn man doch bis hier her gelesen hat? Naja, im Team arbeiten ist es immer besser als alleine. Die vielen vielen Menschen die daran beteiligt waren kann ich kaum alle erwähnen. Hätte ich begonnen hier Namen zu erwähnen, hätte ich viel zu viele davon vergessen. Dies war ein Erfolg zahlreicher engagierter Bürger*innen. Egal ob sie bei einer Partei waren oder nicht, egal welches Geschlecht sie hatten, egal wie groß ihr Vorwissen war, es war ein gemeinschaftlicher Erfolg. Jede*r Einzelne*r hat deren Teil dazu beigetragen. Sehr mich an, zu beginn hatte ich keine Ahnung von Recht und Parlament, aber es war da ein Gesetz das mich störte und nun sitze ich mitten in der Zivilgesellschaft und versuche mit meinen bescheidenen Mitteln die richtigen Steine ins Rollen zu bringen. Manchmal gelingt es und manchmal nicht. Ob Siege oder Rückschläge, wir alle können etwas erreichen und zwar gemeinsam.

Richtigstellung — Reinheitsmetaphern

Kurzmitteilung

In meinem Vortrag auf der Privacy Week 2018 „Die Sprache der BVT-Affäre“ habe ich eine Studie zur Wirkung von Reinheitsmetaphern zitiert. Dazu möchte ich erwähnen, dass eine neuere Metastudie vom September 2018 die Erkenntnisse daraus nicht weiter stützt.

In den beiden Studien ging es darum ob Menschen, die an eine moralisch schlechte Tat dachten häufiger zu Reinigungsprodukten greifen, da wir in der gesprochenen Sprache die Konzepte von „Gut und Böse“ oft mit Metaphern über „rein“ oder „dreckig“ sein verbinden. Die Metastudie lässt aber offen ob ein solcher Effekte möglicherweise unter bestimmten Bedingungen dennoch auftreten kann. Dies schließt an die aktuelle Debatte in den Sozialwissenschaften an, wie stark und unter welchen Bedingungen der sogenannte Framing-Effekt auftritt. Also jener Effekt der aussagt, dass sich unsere Sprache und deren angewandte Frames, auch direkt auf unser Handeln auswirkt.

Ich werde dieses Thema weiterhin mit Leidenschaft verfolgen und euch auf dem Laufenden halten!


ISO 8601 Datumsstempel

Link

Hi,

schön, dass dich deine Suche nach einem ISO 8601 Datumsstempel (seltener auch „Datumstempel“) auf meinen kleinen Blog geführt hat. Wer kennt das Problem nicht? Man sucht nach einem Stempel mit dem man das einzig wahre Datumsformat ISO 8601 (yyyy-mm-dd) umsetzen kann, aber findet nach 2 Stunden Suche noch immer keinen. Ich hab es nun geschafft und damit du Suchende oder Suchender in Zukunft nach diesem „date stamp“ nicht mehr so lange suchen musst habe ich für dich diesen kleinen Linkdump erstellt.

Meine Empfehlung ist der „Trodat Printy Dater 4810 – Datumstempel mit ISO-Datum“ oder der „Trodat Printy 4820 Datumstempel, ISO-Variante“.
Alternativ kann man auch den „Colop Ziffernstempel 05010“ benutzen. Du kannst ihn z.B. hier auf Amazon finden: https://www.amazon.de/gp/product/B01MQFHLTQ/ref=ask_ql_qh_dp_hza

lg ein helfender Freund

Vom richtigen Teilen der Macht

Kürzlich kam mir in der Vorlesung „Aktuelle Debatten“ eine Überlegung wie wichtig es ist wie man Kompetenzen teilt. Eigentlich habe ich diesen Gedanken schon länger aber nun ist er etwas strukturierter. In „Aktuelle Debatten“ behandeln wir verschiedene Themengebiete anhand von vier verschiedenen sozialwissenschaftlichen Perspektiven. Letzten Freitag war der „Staat“ aus Sicht der „Kultur- und Sozialanthropologie“ an der Reihe.

Konkret geht die Kultur und Sozialanthropologie davon aus, dass mit der Gruppengröße auch die Teilung der Zuständigkeiten komplexer wird und Verantwortungen ausdifferenzierter werden. Man kann gut im historischen Verlauf beobachten. Zuerst wurden die stärksten Mitglieder auch zu den Führerinnen oder Führern einer Gruppe, dies hieß aber auch, dass immer wenn sich eine Jüngere oder ein Jüngerer besser fühlt ebendiese den Machtanspruch stellen konnten. Mit der Vergrößerung der Gruppe etablierte sich dann eine Adelsschicht, die Gruppe begann also damit verschiedene Gesellschaftsebenen mit jeweils eigenen Rechten aber auch Verantwortungen einzurichten. Aber auch innerhalb der Ebenen kam es zu einer eigenen Verantwortungsverteilung, konnten zum Beispiel bei den Wikingern noch lange Zeit Frauen mächtige Positionen einnehmen war dies in den meisten anderen mittelalterlichen Gesellschaften nicht mehr so. Der Adel hatte eine streng patriarchale Ausrichtung. Weiter gedacht wurde irgendwann mit der zusätzlich steigenden Größe die Kompetenzverteilungen noch stärker. Die Gewaltenteilung wurde eingeführt und mehrmals überarbeitet bis sie ihre heutige Form erreicht hat. Am Wiener Kongress experimentierte man erstmals sehr erfolgreich mit Ausschüssen als Expertenebene einer Versammlung. (Vgl. Hermann Mückler 2011, S. 55ff)

Spätestens seit 1848 wird die horizontale und vertikale Verteilung der Kompetenzen mit einem Text geregelt und ist nicht mehr nur ein komplexes System aus Verträgen, Belehnungen, Gewohnheiten und verschiedensten Personalunionen. Dieser Verfassung bzw. die heutige Form unserer Gesetze hat es uns somit ermöglicht, dass sich die Aufteilung der Macht nicht nur sozialdynamisch ergibt sondern wir einen ganz bewussten Einfluss auf sie ausüben können. Und darüber müssen wir uns bewusst sein, jede Aufteilung von Macht hat Einfluss darauf wie sie gelebt wird. Ordnen wir das Wissenschaftsressort einem anderen Ministerium unter oder wird es ein eigenes Ministerium? Erhält jedes Ministerium eine eigene Beauftragte oder einen eigenen Beauftragten für digitale Agenden oder richten wir ein eigenes Staatssekretariat dafür ein? Richten wir eine eigene Rechtsschutzinstanz ein oder erhalten BMI und BMJ jeweils ihre Hausinterne? Kurzum kann man es in folgende Kernfragen einteilen:

  • Welches Organ erhält welche Zuständigkeiten?
  • Welches Organ erhält welche Sanktionsmöglichkeiten?
  • Welches Organ erhält welche zweckbestimmten Gelder?
  • Welchem Organ sind welche anderen Organe nachgeordnet?

Prinzipiell lässt sich sagen, dass ein Themengebiet nur ernst genommen wird wenn es dafür zuständige Institutionen gibt. Dies muss jetzt nicht heißen, dass man gleich ein eigenes Ministerium für ein Themengebiet einrichten muss, es kann auch bedeuteten, dass in jedem Ministerium jemand die Zuständigkeit für ein solches Themengebiet erhält. Wie man sie teilt hängt immer mit den Erwartungen an die Teilung zusammen und somit ist die Verantwortung über die Aufteilung der Macht eines der größten Machtinstrumente dem sich vor allem das Parlament aber auch die Regierung bewusst sein sollte.

Nun muss die Aufteilung der Macht aber nicht in Stein gemeißelt sein. Auch Vereine und Firmen sind von ihr betroffen. Hier hat man es wieder mit besonders kleinen Gruppen zu tun bei denen man besonders auf die Fähigkeiten der einzelnen Akteure achten sollte bei der Verteilung der Kompetenzen. Meine eigene Theatergruppe stand kurz davor sich aufzulösen da unser damaliger Obmann, der sowohl die Geschäftsführung als auch die Regie innehatte, nicht mehr weitermachen wollte. Eine Nachfolgerin oder ein Nachfolger mit den selben Fähigkeiten fand sich nicht also entschied man sich in einer langen Verhandlungsnacht dazu (neben viel Wein) diese beiden Funktionen zu trennen. So fand sich ein neuer Geschäftsführer der für die organisatorischen Aufgaben zuständig war und unser ehemaliger Obmann beschränkte sich fortan auf die Regie. Wenn nun eine der beiden Funktionen neu besetzt werden muss, muss nicht zwangsweise diese Position besetzt werden, man könnte sie entweder weiter teilen oder wieder zusammenlegen. Auch die Schaffung 2er neuer Funktionen die eine ganz andere Kompetenzverteilung aufweisen als die aktuelle wäre denkbar.

Der Spruch „Teile und Herrsche“ wurde vor ungefähr 500 Jahren formuliert, prinzipiell aber schon im antiken Rom gelebt. Damals klar mit anderer Bedeutung, aber selbst hier liegt im Prinzip diese Macht der Teilung zugrunde.